Über die Lebensleistungen im Osten

DIE ersten BMW kamen aus Eisenach

Wenn man nach der Geschichte Geschichte des Automobilwerkes Eisenach sucht, wird man schnell fündig. Schließlich blickt das 1896 gegründete Werk auf eine lange Tradition zurück. Die ersten BMW- Fahrzeuge wurden nicht in München, sondern ab 1928 in Eisenach gebaut. Die Qualität war so gut, dass das Werk der Demontage nach dem 2. Weltkrieg entging. Ingenieure aus Eisenach fuhren bei Marschall Schukow in Karlshorst mit einem BMW 321 vor. Der war so begeistert, dass er Stalin meldete, es sei besser, das Wrk nicht zu demontieren. Stattdessen wurde im November 1945 die Prodikution als Reparationsleistung für die Sowjetunion wieder aufgenommen. BMW durfte die Autos aber ab 1951 nicht mehr heißen, das hatten die bayrischen Motorenwerke gerichtlich untersagt. Nach der Verstaatlichung hieß das Werk ab 1953  VEB Automobilwerk Eisenach mit dem bekannten Kürzel AWE. Legendär ist heute der 311er Wartburg, der ab 1966 vom 353 abgelöst wurde.

Als der IFA Mitte der 1980er Jahre von Volkswagen die Lizenz zum Nachbau des im Polo eingesetzten Viertaktmotors erwarb, zog dies erhebliche Investitionen in Eisenach-West nach sich wie z. B. in die Motorenfertigung, in ein neues Getriebewerk und eine moderne Karosseriefertigung. Dazu kam eine computergestützte Lackbeschichtungsanlage. Das aber optisch nur wenig veränderte Fahrzeugmodell, der Wartburg 1.3, ging 1988 in Serie.

Eisenach glaubte sich gut gerüstet

Eisenach glaubte sich nach dem Mauerfall gut gerüstet. Lag es doch nah an der innerdeutschen Grenze und durch den VEB Automobilwerk Eisenach glaubte es sich gewappnet für die neue Marktwirtschaft. Als Wirtschaftsstandort erschien Eisenach in den Monaten des Umbruchs einfach perfekt.

Die Arbeiter*innen waren zuversichtlich, die mit Viertaktmotoren ausgelieferten Wartburg 1.3 wirtschaftlich erfolgreich produzieren zu können. Für den Wartburg Tourist 1.3 wurde bereits eine erste modifizierte Variante vorgestellt und die Firma Irmscher Automobilbau präsentierte einen Prototyp des Wartburg New Line mit Neuerungen in Karosserie und Technik.

Opel war zu dieser Zeit schon in der Stadt. Bereits im März 1990 wurde das Joint-Venture Unternehmen Opel-AWE-PKW GmbH gegründet. Es wurde rasch damit begonnen, in den Hallen des in den 1980er Jahren errichteten AWE-Betriebsteil im Westen der Wartburgstadt

eine Produktionslinie aufzubauen. Doch die meisten Eisenacher*innen wollten da von Opel noch nichts wissen. Die Opelaner hatten sogar Mühe, Arbeiter*innen vom AWE für die eigene Produktion in der Stadt abzuwerben.

So kam es, dass es für einige Monate in den Jahre 1990 und 1991 zwei Automobilhersteller mit jeweils eigenen Modellen in Eisenach gab, die sich als Partner, aber durchaus auch als Konkurrenten sahen.

Am 18. Mai 1990 unternahm die Eisenacher Werksleitung mit Zustimmung der staatlichen Behörden der DDR weitere Schritte zur Privatisierung des Unternehmens; es kam zur Gründung der Automobilwerk Eisenach GmbH mit einem Stammkapital von 400 Mio. Mark.

GM war an Wartburg nicht interessiert

Was die Eisenacher noch nicht wussten: General Motors interessierte sich nicht für das AWE, nicht für das Werk und die Produktionsanlagen und schon gar nicht für die Wartburg-Modelle. Es war die Lage der Stadt und die Tatsache, dass an dem alten Autostandort ausreichend Know-how und Arbeitskräfte vorhanden waren, um ein neues Werk erfolgreich zum Laufen zu kriegen. Schließlich stand in Eisenach das viertälteste Autowerk im Land der Erfinder des Automobils. 

Eine Übernahme durch Opel? Niemals, hieß es in Eisenach. Am Ende kam es schlimmer. Das AWE wurde abgewickelt. Und nur ein Bruchteil der Mitarbeiter kam bei Opel unter.

Nach der Währungsreform explodierten die Kosten für die Serienproduktion. Im Juli 1990 gab es daher die Maßgabe, die Kosten deutlich um 30 Prozent zu senken. Die meisten Zulieferbetriebe des AWE kamen dem Wunsch auch nach. Doch noch vor dem Jahreswechsel wird Kurzarbeit angeordnet. Am 21. Januar 1991 verfügte die Treuhandanstalt die Einstellung der Produktion im Automobilwerk Eisenach GmbH. Umgehend wurden 4.500 Mitarbeiter in Kurzarbeit-Null entlassen. 

Spontane Demonstrationen in der Stadt für den Erhalt des Werkes waren die Folge, bis hin zu einer von Gewerkschaft und AWE-Arbeiter*innen organisierten Blockade der A4 am 25. Januar 1991. Es waren dramatische Szenen. Doch die Treuhandanstalt blieb beim Aus für das Werk und nur sieben Tage später begannen die Arbeiten für das neue Opel- Werk.

Am 10. April 1991 rollte der letzte Wartburg aus dem Automobilwerk Eisenach. Die Produktion  wurde damit eingestellt. Im darauffolgenden Monat wurde die Geschäftsleitung entlassen und das Unternehmen “abgewickelt“. Damit endete die fast 100-jährige Geschichte des Eisenacher Automobilwerkes.

Was bleibt?

Das Eisenacher Autowerk war nur einer der ersten Großbetriebe der DDR, welcher nach der Wende durch die Treuhand abgewickelt wurde. Auf Pressebildern jener Tage sind die Tränen der Mitarbeiter*innen die zu sehen. Die waren echt. Es ging um das eigene Überleben, um die eigene Identität und um die gesamte Region. Über 90 Jahre lang wurden in Eisenach Automobile gebaut und stets wurden diese positiv bewertet, fanden die Leistungen der Ingenieure und die Qualität der Produkte ihre Anerkennung.

Eine wirkliche Chance bekam AWE nicht. Zwar produzieren heute BMW und Opel in Eisenach, aber mit der Fahrzeugfabrik Eisenach haben beide nichts mehr zu tun.

Der größte Betrieb der Region beschäftigte am Ende rund 4.500 Mitarbeiter*innen. Doch der ehemals volkseigene Betrieb wurde zerschlagen, in Teilen privatisiert oder abgewickelt. Aus AWE wurden in anderthalb Jahren 32 Unternehmen - eines davon Opel. Immerhin 2.000 Menschen konnten dort neue Arbeit finden – die anderen gingen in Umschulung, Rente, Arbeitslosigkeit oder in den Westen.

Ein ehemaliger Vorzeigebetrieb wird zur Konkursmasse. So wie in Eisenach passierte dies vielerorts. In Folge der Treuhandpolitik wurden überall gut aufgestellte und sanierungsfähige Betriebe abgewickelt und geschlossen. Im Thüringer Gedächtnis blieb vor allem der verzweifelte Kampf der Bergleute in Bischofferode gegen die Schließung ihres Kaliwerkes.

Viele der Betriebe hätten einfach mehr Zeit für die Sanierung und Umstrukturierung gebraucht. Es fehlte allerdings an einem strukturellen Konzept und das westdeutsche Kapitalinteresse drängte.

Verkauft, zeschlagen, abgewickelt

Was bleibt ist eine gesamtgesellschaftliche Erfahrung, die bis heute den Osten prägt. Keine Familie, die nicht eine Geschichte davon erzählen kann. Die Verantwortung sehen viele bei der Treuhand. „Verkauft“, „zerschlagen“ und „abgewickelt“ sind bis heute die Schlagworte, die die Menschen hier mit der Treuhand verbinden. DIE LINKE spricht von einem „Treuhand-Trauma“ und fordert deshalb eine Enquetekommission – eine überfraktionelle Arbeitsgruppe, welche  die Machenschaften der Treuhandgesellschaft in Thüringen genauer untersuchen und aufarbeiten soll.

Das Treuhand-Agieren hat Schäden hinterlassen und sich in die Seele der Menschen gebrannt. 30 Jahre wollte man den Arbeiter*innen glauben machen, dass ihre Arbeit, ihre Lebensleitung nichts wert gewesen sei. Es ist an der Zeit diesen Menschen im Osten ihre Würde endlich wiederzugeben.