Oft geht es nur noch um Konfliktvermeidung

Eindrücke und Erkenntnisse von einer Tour bei Thüringer Jugendhilfeeinrichtungen im aktuellen Parlamentsreport

Um lokale Gegebenheiten von Institutionen, Trägern und Akteuren in der Jugendhilfe in Thüringen besser kennenzulernen, haben wir, unser wissenschaftlicher Mitarbeiter für Bildung, Jugend und Sport der Landtagsfraktion, Dr. Steffen Kachel, und ich, in den vergangenen Wochen verschiedene Kreise und kreisfreie Städte bereist.

Insgesamt waren wir sieben Tage unterwegs, sind mehr als 1.300 Kilometer durch Thüringen gefahren und haben uns mit 51 Personen getroffen. Station machten wir dabei in Erfurt, in Schmalkalden-Meiningen, in Gera, im Kyffhäuserkreis, im Altenburger Land, in Eisenach und im Wartburgkreis.

Bei aller Unterschiedlichkeit zwischen den einzelnen Kreisen und kreisfreien Städten gab es Problemlagen, die uns immer wieder begegneten. Die Träger, mit denen wir uns trafen, berichteten, dass sich in den letzten Jahren die Arbeit in der Jugendhilfe verändert hat. Sie geht weg von gruppenbezogenen Freizeitangeboten hin zur Einzelfallarbeit mit familiärem Ansatz.

In vielen Projekten wird beobachtet, dass die Kinder, die in die Einrichtungen kommen, immer jünger werden. Ein neues Problem in der offenen Jugendarbeit sind Migrantenkinder, welche oft einen deutlich höheren Unterstützungsbedarf haben. Durch die meist zu schmale Personalausstattung fehlt es aber an Ressourcen, hier tiefergehend zu helfen. „Eigentlich können wir an vielen Tagen nur Konfliktvermeidung leisten statt sozialer Arbeit“, fasste ein Sozialarbeiter zusammen.

Ein weiteres Problem für die Einrichtungen ergibt sich daraus, dass immer mehr Kinder mit Hunger in den Jugendclub kommen und für Essensversorgung in den Förderrichtlinien keine Mittel vorgesehen sind. Manche Träger versuchen, sich mit Spenden zu behelfen, aber dies erweist sich für eine kontinuierliche Planung als schwierig.

Ein anderer Aspekt, der uns in den Jugendämtern bzw. bei den Jugendfachdiensten genannt wurde, war die Finanzierung der schulbezogenen Jugendsozialarbeit. Hier hörten wir, dass es ohne die Förderung durch das Land keine Möglichkeit gäbe, diese Arbeit in ihrer jetzigen Form aufrecht zu erhalten. Allerdings sollte nach Fachmeinung der betreuenden Stellen damit schon in der Grundschule angesetzt werden. Denn Horte sind nicht in der Lage, diese Aufgabe in der Art und Weise zu leisten, wie es die Schulsozialarbeit vermag.

Egal ob freier Träger oder Jugendfachdienst, eines bekamen wir überall mit auf den Weg: Die Stellenbesetzung gestaltet sich oft schwierig, mitunter fehlt es an geeigneten Bewerberinnen und Bewerben. Wesentliche Ursachen sind die im Bereich der Jugendhilfe stark verbreitete Befristung sowie die oft zu geringe Bezahlung. Eine Befristung ist leider nicht zu umgehen, weil es für die Träger sehr oft kaum Planungssicherheit für ein Jahr, geschweige denn über längere Zeiträume gibt. Zusätzliche Förderungen sind fast immer projektgebunden und nur auf einen kurzen Zeitraum bezogen, Mitarbeiter haben de facto kaum Aufstiegsmöglichkeiten und fallen mit neuen Projekten wieder in niedrige Lohngruppen zurück. Hier sind gesetzliche Regelungen denkbar, die die Situation verbessern.

Unser Fazit: Es gibt einiges zu tun, um die Arbeitsbedingungen und die Wirksamkeit der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit in Thüringen zu verbessern, und das ist angesichts der Probleme dringend nötig! Viele in diesem Bereich hoffen auf die neue rot-rot-grüne Landesregierung.

Kati Engel, Sprecherin der Fraktion für Ausbildung, Kinder- und Jugendpolitik