Rede im Plenum zur Eigenständigen Jugendpolitik

Kati GrundAufmacherAktuell

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Besucher*innen,

liebe Zuhörer*innen am Live-Stream,

liebe Kolleg*innen,

die CDU ruft heute ein großes Thema auf: die Eigenständige Jugendpolitik. Das klingt gut. Ja, man könnte fast meinen, alle seien sich doch darin einig, die Interessen junger Menschen zu achten und sie auf allen Ebenen und in allen Lebenslagen zu unterstützen. Doch was Politiker*innen wirklich von Jugendlichen halten, sehen wir dann, wenn es Probleme gibt. Wir alle kennen doch die Schlagzeilen: Jugendlichen sind desillusioniert, gewalttätig, politikmüde, uninteressiert … Und danach folgt dann jeweils der passende Diskurs in der Politik. Dort werden dann schnell repressive Rufe laut wie z. B. nach einem „Warnschussarrest“ oder nach der „Verschärfung des Jugendstrafrechts“.

Vorreiter ist hier vor allem die in Berlin vorherrschende Politik, die die Jugendlichen seit 2005 mit Sanktionen zu erziehen versucht. So habe ich zumindest die Jugendpolitik Ihrer Partei, Herr Bühl, bisher wahrgenommen. Dass die CDU nun plötzlich dafür wirbt, Jugendliche ernst zu nehmen, ihre Interessen auf allen Ebenen in die Politik einzubringen, das überrascht etwas. Aber vielleicht sind Sie ja auch gerade dabei, durch ihre Oppositionsrolle neue Einsichten zu gewinnen.

Was bedeutet eigentlich Eigenständige Jugendpolitik? Eigenständige Jugendpolitik ist ein Politikansatz, der die Bedürfnisse und Anforderungen von Jugendlichen in den Fokus der Debatten rücken will. Dabei soll die Jugendphase als Ganzes in den Blick genommen werden. Die bisherige isolierte Betrachtung einzelner Teilaspekte, wie z. B. Bildung, Familie oder Arbeit soll aufgehoben werden. Denn die Gestaltung jugendlicher Lebenslagen wird als eine politische Gesamtaufgabe verstanden. Die Entwicklung einer Eigenständigen Jugendpolitik ist ein Prozess, der darauf abzielt, Jugendpolitik als ein selbstständiges Politikfeld mit einem eigenen Selbstverständnis zu etablieren, wie das bei anderen Politikfeldern - z. B. bei der Finanz- oder Umweltpolitik - schon lange der Fall ist. Mit einer Eigenständigen Jugendpolitik würden die Jugendlichen endlich ernstzunehmende Partner*innen in der Politik werden.

Uns als Linksfraktion ist wichtig, dass Eigenständige Jugendpolitik nicht zu einem inhaltsleeren Modebegriff verkommt, so wie es derzeit auf der Bundesebene bei einigen Akteuren der Fall ist. Denn es ist nicht zielführend, immer wieder mal ein neues, schön klingendes Projekt ins Leben zu rufen. Derzeit arbeitet die Koordinierungsstelle „Handeln für eine jugendgerechte Gesellschaft“, als Nachfolgeprojekt des bis 2014 finanzierten „Zentrum Eigenständige Jugendpolitik“. Diese Koordinierungsstelle soll die Handlungsstrategien der Eigenständigen Jugendpolitik in 16 Modellprojekten – für jedes Bundesland eines – ausprobieren. Ein übergreifendes, als Querschnitt angelegtes Handeln für die Interessen der jungen Generation wird so nach unserem Dafürhalten nicht erreicht. Damit verlagert die Bundesregierung lediglich ihre Verantwortung und schafft nur noch mehr Verwirrung in den Ländern und Kommunen.

Eine gute Jugendpolitik setzt dort an, wo die Jugendlichen leben, wo sie Räume und Unterstützung benötigen, geht an die Wurzeln ihrer Probleme.

Aber wie sieht es auf dieser Ebene aus? Viel zu oft sind es die Angebote für Jugendliche, die zuerst dem Rotstift zum Opfer fallen, wenn sich die Kassen der Kommunen leeren.  Übersehen wird außerdem regelmäßig die massive Armut von Jugendlichen, die sie hindert, sich am gesellschaftlichen Leben zu beteiligen oder auch die Privatisierung des öffentlichen Raumes mit der Folge, dass Jugendlichen selbst immer weniger Raum bleibt. Schuld daran ist, dass es kaum eine Bevölkerungsgruppe gibt, die von der Politik so wenig wahr- und ernst genommen wird, wie die Jugendlichen.

Die rot-rot-grüne Koalition in Thüringen stellt sich hier ihrer Verantwortung und versucht längst, den Begriff „Eigenständige Jugendpolitik“ mit Inhalten zu füllen. So sind die Stärkung und die bedarfsgerechte Ausstattung der Jugendarbeit, der Jugendverbandsarbeit sowie der Jugendsozialarbeit, welche für uns sowieso zur Daseinsvorsorge gehören, zentrales Element einer Eigenständigen Jugendpolitik. Ebenso wie die Verstärkung und Verbesserung der Mitbestimmungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche. Bereits im Koalitionsvertrag haben wir vereinbart: die Jugendarbeit,  die Jugendsozialarbeit sowie die Jugendverbandsarbeit zu unterstützen und zu sichern und direkte Mitbestimmungsmöglichkeiten auszubauen und zu verbessern. Partizipation, Empowerment und Lebensweltorientierung verstehen wir als zentrale Paradigmen der Jugendarbeit. Unser Bestreben ist es, für ein Angebot in Thüringen zu sorgen, welches bedarfsgerecht ausgestattet ist, Städte und ländliche Gebiete umfasst und Jugendliche aus allen gesellschaftlichen Schichten erreicht.

Denn die Lebensbedingungen  von Jugendlichen werden ja bekanntlich im  unmittelbaren sozialräumlichen Umfeld geprägt: von der örtlichen Verkehrspolitik, vom Vorhandensein  und  der  Nutzbarkeit  örtlich  verfügbarer  Freizeit- und  Bildungsangebote,  Kulturangeboten oder  sportlichen  Betätigungsmöglichkeiten. Auch  wenn  einige  dieser  Felder  in  ihrer  grundlegenden  Ausrichtung  nicht  durch  kommunale  Politik gesteuert  werden,  so  zeigt  sich  doch deutlich,  dass  es  ein  Fehler  ist,  der  kommunalen Gestaltungsebene hier keine Beachtung zu schenken.

Und genau das hat der vorliegende CDU-Antrag nicht im Blick.  Er zeigt lediglich, dass die CDU eben nicht verstanden hat, worum es bei der Eigenständigen Jugendpolitik geht. Die CDU fordert in ihrem Antrag die Erarbeitung eines Landesprogrammes, das sie quasi neben die bereits existierende Jugendpolitik und die anderen Politikfelder stellen will. Genau das wollen wir nicht. Hier wird der Ansatz einer Eigenständigen Jugendpolitik gänzlich missverstanden. Denn Eigenständige Jugendpolitik soll nicht etwas neues, von oben aufgestülptes sein, sondern ist ein Politikansatz, der sich durch alle Ressorts und Verwaltungsebenen ziehen muss und alle Beteiligten an einen Tisch holt. Ein Landesprogramm, welches fast alle Protagonisten einer Eigenständigen Jugendpolitik bereits bei der Erarbeitung ausschließt, ist da wenig hilfreich.

Um es noch einmal zusammenzufassen: Eigenständige Jugendpolitik heißt für uns: Stärkung der Angebote der Jugendarbeit, die Einbeziehung und Mitbestimmung junger Menschen auf allen Ebenen, die Berücksichtigung ihrer Interessen und Bedürfnisse sowie die Geltendmachung jugendpolitischer Aspekte und Sichten in allen Politikfeldern. Dafür stehen wir. Und mit der Umsetzung dieser Ziele haben wir auch längst begonnen.

Da in den weiteren Punkten des CDU-Antrages durchaus richtige Ansätze zu finden sind, über die es sich zu diskutieren lohnt, stimmen wir dennoch der Überweisung in den Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport zu. Ich freue mich bereits auf die dort folgende Debatte.

Und zu Herrn Bühl, sei nochmal gesagt: Es ist zielführender, in den bereits existierenden Mitbestimmungsgremien wie dem Landesjugendhilfeausschuss und dessen Arbeitsgemeinschaften über die konkrete Ausgestaltung der Jugendpolitik zu diskutieren, anstatt sich an diesen nicht zu beteiligen und die fachliche Diskussion in die Presse und in das Plenum zu verlagern, um sich darüber zu profilieren.

Vielen Dank