Die Wahlen waren überschattet von Repressionen und Wahlmanipulation

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Erklärung von Kati Engel (MdL) und Arif Rüzgar (Landesvorstand) zur Wahlbeobachtung am 24.06.2018 in der Türkei

Am Sonntag, den 24. Juni 2018 fanden in der Türkei sowohl die Präsidentschafts- als auch die Parlamentswahlen statt. Die HDP hatte zuvor um internationale Unterstützung bei der Wahlbeobachtung gebeten. Wir, die linke Landtagsabgeordnete, Kati Engel, und das Landesvorstandsmitglied der LINKEN, Arif Rüzgar, sind diesem Aufruf gefolgt.

Die Opposition, insbesondere die HDP, befürchteten Repressionen, Schikanen und Wahlfälschungen, wie schon in den vergangen Wahlen zuvor. Einige Wahlbeobachter*innen wurden bereits direkt am Flughafen zur Rückreise gezwungen. Andere wurden verhaftet. Auch die OSZE hatte zahlreiche Wahlbeobachter*innen entsandt. Selbst ihnen  wurde teilweise die Einreise verweigert. So z. B. auch Andrej Hunko, Mitglied in der parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Schon zu Beginn des Wahlkampfes war die linke HDP vielen Repressionen ausgesetzt. So startete die Partei in den Wahlkampf mit einem inhaftierten Präsidenschaftskanditaten, Selahattin Demirtas, sowie hunderten weiteren inhaftierten Bürgermeister*innen, politischen Aktivist*innen und Abgeordneten als Kandidat*innen. Schon im Vorfeld der Wahlen kam es durch AKP-Anhänger zu Übergriffen und auch Morden. So wurden in der kurdischen Stadt Suruς vier Menschen von bewaffneten Bodyguards eines AKP-Kandidaten während dessen Wahltour getötet. Erdoģan forderte außerdem seine Parteianhänger auf „das notwendige zu tun, um die HDP unter der 10%-Klausel zu halten“. Nahezu alle Prognosen schätzten Erdoģan und die AKP unter 50 Prozent. Damit hätte er sowohl bei der Präsidentschaftswahl als auch bei der  Parlamentswahl die absolute Mehrheit verloren. Es war deutlich geworden, dass es zu Wahlmanipulationen kommen würde.

Unser Einsatzort war der 3. Wahlbezirk in Istanbul. Die HDP hatte in ihrem Parteibüro in Kücükcemece einen Krisentisch eingerichtet. Hier liefen die Informationen zusammen und wurden die Wahlbeobachter*innen koordiniert. Kücükcemece gilt als die Hochburg der HDP in Istanbul.  Nach einem Besuch des Krisentisches haben wir am Wahltag die Stimmabgabe in verschiedenen Wahllokalen beobachtet und uns mit einheimischen Wahlbeobachter*innen und Wähler*innen unterhalten, ob alles ordnungsgemäß abläuft oder ob es Einschüchterungs- und Manipulationsversuche gibt.  In den besuchten Wahllokalen konnten wir keine Unregelmäßigkeiten feststellen.   

Kurz vor 17 Uhr erreichte uns  die Eilmeldung, dass in einem Wahllokal drei Wahlbeauftrage von der HDP durch AKP-Anhänger verletzt und aus dem Wahllokal vertrieben wurden. Wir fuhren in ein Krankenhaus in Beylikdüzü und besuchten einen der Verletzten. Nach Angaben des Verletzten, hatten etwa 100 AKP-Anhänger das Wahllokal gestürmt und es unter ihre Kontrolle gebracht. Aufgrund der gefährlichen Situation, wurde uns abgerate dieses Wahllokal zu besuchen. Da in diesem Wahllokal nun weder unabhängige noch oppositionelle Kontrollinstanzen anwesend waren, müssen wir davon ausgehen, dass es in diesem zu einer Manipulation bei der Auszählung der Stimmen gekommen ist.

Während unseres gesamten Aufenthaltes in Istanbul erreichten uns Meldungen über Repressionen und Unregelmäßigkeiten vor und während der Wahlen in den kurdischen Regionen im Süd-Osten der Türkei. Demnach haben Polizei, Militärs und paramilitärische Einheiten vor und in den Wahllokalen gestanden. Berichten zufolge wurden Wähler*innen durch Sicherheitskräfte beim Zugang zu Wahllokalen kontrolliert. Ebenso kam es vor, dass Sicherheitskräfte direkt neben den Wahlurnen standen, welches natürlich der Einschüchterung diente. Zudem wurden in vielen Dörfern keine eigenen Wahllokale zugelassen, was bedeutet, dass Menschen bis zu 15 Kilometer zurücklegen mussten, um wählen zu können. Vielerorts wurde zudem der Nahverkehr eingestellt. Für viele Ältere Bürger*innen war es somit n unmöglich, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen.

„Zusammenfassend müssen wir leider sagen, dass es landesweit zu Repressionen und Manipulationen während des Wahlvorganges gekommen ist“, resümiert Arif Rüzgar. „Die offiziellen Ergebnisse der Präsidentschafts- und der Parlamentswahl entsprechen nicht dem Wählerwillen der Bürger*innen der Türkei.“

„Viele hielten uns für mutig, dass wir als Wahlbeobachter*innen in die Türkei reisten“, fasst Kati Engel ihre Reise zusammen. „Aber wir waren nur drei Tage mutig. Unsere Genoss*innen der HDP sehen sich jeden Tag konfrontiert mit Repressionen, Unterdrückung und der Gefahr inhaftiert oder getötet zu werden und kämpfen trotzdem für eine gerechtere und soziale Politik. Das ist Mut.“