"Das Cannabisverbot hat sein eigentliches Ziel verfehlt!"

Rede zur Aktuellen Stunde zum Thema: "Entkriminalisierung von Cannabis und Auswirkung auf Thüringen" im Plenum des Thüringer Landtags

 

Sehr geehrter Herr Präsident,

liebe Besucher*innen,

liebe Zuhörer*innen am Live-Stream,

liebe Kolleg*innen,

warum drehen wir die Sachlage nicht einfach mal um und fragen uns, welche Argumente heute noch für ein Cannabisverbot sprechen? Denn geschichtlich gesehen ist die Kriminalisierung von Cannabis nur eine recht kurze Episode unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens. Wir sollten also aufhören, die Forderung nach der Entkriminalisierung als „außergewöhnliche Idee“ auf den Prüfstand zu stellen und beginnen dieses kurze Experiment der Kriminalisierung zu beleuchten.

Welche positiven Aspekte hat uns denn das Cannabisverbot bisher gebracht?

Das hehre Ziel einer abstinenten Gesellschaft ganz ohne Cannabiskonsum konnte ja augenscheinlich nicht erreicht werden. Weder konnte das Angebot durch ein Verbot merklich eingeschränkt werden, noch ist die Nachfrage zurückgegangen.

Inzwischen ist bekannt, dass für die Ablehnung von Drogen andere Gründe als die Strafverfolgung ausschlaggebend sind. Es gibt eben keine belastbaren Untersuchungen, die belegen, dass Drogenverbote den Konsum einschränken oder eine Legalisierung den Drogenkonsum steigern würde. Dies kann man leicht belegen, indem man z. B. die Konsumentenraten von Deutschland und Niederlande vergleicht. Denn trotz des Verbots konsumieren rund 3 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Cannabis (Studie der Drogenbeauftragten, 2016 vorgestellt, Untersuchungszeitraum 2015).

Die positiven Ergebnisse des Cannabisverbotes sind also nur eine leichte Hemmschwelle im Gebrauch und der Beschaffung.

Diesen geringen positiven Erfolgen stehen jedoch etliche negative Folgen des Cannabisverbotes gegenüber:

- Durch das Verbot stigmatisieren wir die Konsument*innen; ansonsten unbescholtene Bürger*innen werden kriminalisiert, was oftmals eine Zäsur im Lebenslauf und im beruflichen Werdegang nach sich zieht. Dadurch entstehen doch erst kriminelle Karrieren.

- Wir fördern damit illegale Strukturen sowie die "organisierte Kriminalität". Diese haben wiederum, durch fehlende legale Konkurrenz, das Monopol inne und können die Preise hochtreiben.

- Künstlich hohe Preise aber führen zu Beschaffungskriminalität und belasten damit die Gesellschaft.

- Ebenso fördern hohe Preise in Verbindung mit einer kurzfristige Angebotsverknappung oftmals einen gesundheitsschädlichen Mischkonsum mit Tabak, Alkohol und anderen Drogen.

- Hinzu kommt, dass durch fehlende staatliche Kontrollen die Qualität der Droge starken Schwankungen unterworfen ist. Für die Konsument*innen bedeutet das nicht nur ein ungewisser Wirkstoffgehalt, sondern auch die Gefahr gesundlicher Schäden durch Streckstoffe.

Außerdem ist es dem Dealer an der Ecke nicht nur egal was er verkauft, sondern auch an wen. Durch eine staatliche regulierte Abgabe wäre hier ein verlässlicher Verbraucher- und Jugendschutz  möglich.

- Ein Verbot geht immer auch einher mit einer Tabuisierung: ein ehrlicher und offener Diskurs über Konsum wird erschwert. Schüler*innen z. B. können dadurch kaum ihre Erfahrungen mit Eltern oder Lehrer*innen angstfrei reflektieren. 

- Die Kriminalisierung belastet die Polizei, die Justiz sowie die Gefängnissen: es werden Kapazitäten gebunden, welche in anderen Bereichen fehlen. Selbst der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten (BDK), Andre Schulz, ebenfalls eine Entkriminalisierung und meinte (ich zitiere): „Aus polizeilicher Sicht stellt sich die Drogenbekämpfung als extrem personalaufwendig dar – und leider als wenig zielführend."

Zwar gibt es mittlerweile eine Eigenbedarfsgrenzen, in TH liegt diese bei 10 Gramm, dennoch werden i. d. R. ersteinmal Strafanzeigen erstattet, ein Verfahren angelegt, Asservate eingetütet usw. Mehrere Beamte beschäftigten sich also mit einem Vorgang, welcher am Ende häufig eingestellt wird. Das kostet Zeit und Geld! Der wirtschaftspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion,  Joachim Pfeiffer, hat 2015 ausgerrechnet, dass die Strafverfolgung von Cannabis-Konsument*innen den Steuerzahler*innen jährlich bis zu 2 Milliarden Euro kostet, aber weder die kriminellen „Machenschaften" noch "lebensbedrohliche Beimischungen" dadurch unterbunden würden.

- Dem gegenüber stehen massive Steuerausfälle: Genussmittelsteuern, Umsatzsteuer, Gewinnsteuer, Lohnsteuer sowie der Einnahmenausfall bei den Sozialkassen durch die Illegalisierung der Arbeitsplätze. Würde man Cannabis legalisieren, könnte man also nicht nur 2 Mrd. in der Strafverfolgung sparen, es kämen sogar zusätzlich bis zu 2 Milliarden an Steuereinnahmen hinzu, wenn man eine ähnliche Besteuerung wie in den US-Bundesstaaten vornehmen würde.

Das Cannabisverbot hat also nicht nur sein eigentliches Ziel verfehlt, nein es hat eine Vielzahl neuer Problemlagen geschaffen. Das Experiment ist somit gescheitert!

Menschen nehmen Drogen! Schon seit Jahrhunderten! Und ja, das trifft auch auf konservative Politiker*innen zu.

Das verfassungsgemäße Recht auf eine freie Entfaltung der Persönlichkeit wird durch das willkürliche Verbot unterminiert, dies widerspricht dem rechtsstaatlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Politik hat nicht die Aufgabe Menschen zu erziehen, sondern eine informierte und risikobewusste Konsumentscheidung zu ermöglichen.

Es müssen endlich Möglichkeiten für die legale Abgabe und den legalen Besitz von Cannabis geschaffen werden und das bundesweit. Wie eine solche Abgabe genau ausgestaltet werden kann und welche staatlichen Regulierungen und Kontrollen sinnvoll sind, ist ein eigenes Kapitel über welches wir uns gern beim nächsten Mal unterhalten können. Die LINKE hat ja hier zu in der Vergangenheit bereits verschiedene Vorschläge unterbreitet. 

 

Daher hoffen wir, dass bei der morgigen Abstimmung im Bundestag viele Abgeordnete parteiübergreifend für die Legalisierung von Cannabis stimmen. Solidarische Grüße an dieser Stelle nach Berlin.

Vielen Dank.